Ake Edwardson: Die Schattenfrau

Leider bin ich am vorletzten Wochenende spontan krank geworden, ohne mich vorher mit Lese-Exemplaren einzudecken. Also musste ich mal schauen, was noch so an ungelesenen Büchern in meinen Regalen schlummert. So kam ich auf diesen mindestens zehn Jahre alten Edwardson-Titel. Es ist der zweite aus der „Erik-Winter“ – Reihe.

Vielleicht lag es ja daran, dass ich nicht so ganz auf der Höhe war, aber ich habe mich selten bei einem Krimi so gelangweilt. Dabei klang es zunächst ganz fesselnd: Eine unbekannte Tote wird in Göteborg gefunden. Es dauert lange, bis ihre Identität feststeht – doch dann stellt sich heraus, dass sie Mutter eines Kindes ist, das nun vermisst wird.

Die zähe, akribische Polizeiarbeit wird in allen Einzelheiten geschildert. Das mag ja realistisch sein, ist aber auch sehr ermüdend. Und die Beziehungsprobleme des Kommisars fand ich auch nicht so richtig spannend. Es lag wohl nicht nur am Fieber, dass ich beim Lesen immer wieder eingeschlafen bin…

 

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Christos Tsiolkas: Barrakuda

Tsiolkas_BarrakudaAuch wenn ich damit bei unseren KundInnen eher selten auf Zustimmung stieß: Ich fand Tsiolkas´ „Nur eine Ohrfeige“ grandios.

Auch der neue Roman ist wieder eine Klasse für sich. Ein „Coming of Age“-Roman der besonderen Art. Der Protagonist Daniel Kelly setzt schon in jungen Jahren alles daran, ein berühmter Schwimmer zu werden. Dafür besucht er eine Eliteschule, in der er als Kind armer Einwanderer gemobbt wird. Doch zunächst zeigt er es ihnen allen: Er ist der Stärkste, der Schnellste, der Beste.

Doch dann wird er bei einem entscheidenden Wettkampf nur Fünfter. Danny kann es nicht fassen, er hatte nie daran gedacht, zu scheitern. Er verliert jeglichen Halt, pendelt zwischen Selbstmitleid und Aggressivität. Und schließlich begeht er einen großen Fehler…

Ein spannendes Außenseiter-Portrait, ein bitterer Blick auf die Leistungsgesellschaft – Christos Tsiolkas zeichnet sich durch seine feine Beobachtungsgabe und psychologisches Feingefühl aus. Und er ist ein richtig guter Erzähler.

(Allerdings muss ich gestehen, dass ich die zum Teil etwas derben Sex-Szenen flott überlesen habe. Nennen Sie mich prüde, aber ich lese oft beim Essen – oder esse beim Lesen – und versuche daher, Abschnitte über Fäkalien zu vermeiden. Aber die wenigen unappetitlichen Schilderungen sollten niemanden vom Lesen abhalten!)

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Stefan Bachmann: Die Seltsamen

Bachmann_SeltsamenEin Fantasy-Roman, der bei Diogenes erscheint? Das hat mich neugierig gemacht…

Der extrem junge Autor (Jahrgang 1993) hat angeblich schon mit sechzehn angefangen, diesen Roman zu schreiben. Inspiriert von den sogenannten „Steam Punk“- Romanen läßt er seine Geschichte im viktorianischen England spielen, allerdings in einer erfundenen Welt, in der es allerhand mechanische Wunderwerke gibt. Und Magie bzw. magische Geschöpfe wie Feen, Elfen, Gnome und andere.

Es ist eine klassische, märchenhafte Abenteuergeschichte um zwei Helden wider Willen, von denen einer die Welt retten, der andere eigentlich nur seine Schwester wiederfinden will. Flott geschrieben und nette, leichte Kost – besonders für jugendliche Leser.

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Tad Williams: Die dunklen Gassen des Himmels

Williams_GassenAm heutigen Internationalen Tag der Muttersprache“ ziemte es sich eigentlich, in Hölderlins Gesamtwerk zu blättern. Oder wenigstens den ollen Thomas-Mann-Schuber mal wieder abzustauben. Statt dessen habe ich die letzten Seiten des neuen Tad-Williams-Romans verschlungen…

Meine Begeisterung für Fantasy-Literatur ist zwar mit zunehmendem Alter merklich abgekühlt, aber für Patrick Rothfuss und eben Tad Williams mache ich schon mal eine Ausnahme. (Und auch für Susanna Clarke, Elisabeth Kostova und Matt Haig, wenn man es genau nimmt.)

Immerhin kann ich im Zusammenhang mit dem Welttag und der Lektüre eine wunderbare regionale Redewendung mit ins Spiel bringen: Ich habe mich beim Lesen „amüsiert wie Bolle“ (nämlich „ganz prächtig“!)

Williams hat eigentlich eine Art „Hard-boiled“-Krimi geschrieben – mit allen klassischen Zutaten, die man von Chandler & Co kennt: Der Ich-Erzähler, Bobby Dollar, ist ein mit allen Wassern gewaschener Typ, der Regeln nicht sonderlich ernst nimmt, ein altes Auto fährt und gemeinsam mit seinem Kumpel Sam schon ziemlich krasse Sachen überlebt hat. Sein eigentliches Zuhause ist seine Stammkneipe. Er wird in eine mörderische Intrige verwickelt, weiß kaum noch, wem er trauen kann. Eine umwerfende und sehr gefährliche Frau wirft ihn aus der Bahn.

Da Tad Williams aber kein Krimi-, sondern ein Fantasy-Autor ist, sind seine Romanfiguren nicht Detektive und Gangster, sondern Engel und Teufel bzw. Dämonen. Die Konstellation erinnert ein wenig an die „Wächter-„Romane von Sergej Lukianenko.

Bobby Dollar ist ein „Anwalt“, der für die Seelen Verstorbener vor Gericht eintritt. Um sie in den Himmel zu bringen oder wenigstens den Aufenthalt im Fegefeuer zu verkürzen. Doch eines Tages verschwindet die Seele eines Menschen kurz vor der „Verhandlung“ einfach – und Bobby gerät in echte Schwierigkeiten, die nicht nur seinen menschlichen Körper in Gefahr bringen…

Spannend und witzig – auch für Atheisten!

 

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Michel Bussi: Das Mädchen mit den blauen Augen

Bussi_MaedchenSpannende Unterhaltung aus Frankreich: Bei einem Flugzeugabsturz im Jura überlebt nur ein einziger Mensch. Doch wer ist das Baby mit den leuchtend blauen Augen? Laut Passagierliste waren zwei weibliche Säuglinge, etwa gleich alt, mit ihren Eltern an Bord. Da es noch keine umfassende DNA-Analyse gibt, kann die Identität zunächst nicht geklärt werden.

So werden zwei Ehepaare, die jeweils die Großeltern des Mädchens sein könnten, in einen langwierigen Prozess verwickelt. Die reichen de Carvilles spielen dabei ihre Macht aus, während die Vitrals, eher einfache Leute, die Sympathien der Öffentlichkeit besitzen.

Und noch ein Mensch wird in diese Tragödie hineingezogen: Der Privatdetektiv Credule ermittelt achtzehn Jahre lang – und findet dann eine unglaubliche Spur…

Ziemlich clever und unterhaltsam – ein schöner Krimi für alle, die es gemächlich und rätselhaft mögen.

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Annelie Wendeberg: Teufelsgrinsen

Wendeberg_TeufelsgrinsenEin wirklich unterhaltsamer historischer Krimi, in dem wir (wieder einmal) dem bekanntesten aller Detektive begegnen: Sherlock Holmes.

Hauptfigur ist allerdings eine sehr interessante Frau: Anna Kronberg tritt als Dr. Anton Kronberg auf. Die Medizinerin lebt als Mann verkleidet, um ihren Beruf ausüben zu können. Als „führender Bakteriologe Londons“ wird sie von Scotland Yard zu einem Tatort gebeten. Ein offensichtlich cholerakranker Mann wird tot in einem Wasserwerk aufgefunden. Neben der Polizei ist noch ein „Berater“ mit von der Partie – eben jener berühmte Sherlock Holmes, der natürlich mit einem Blick ihr Geheimnis durchschaut…

Ich finde es eine nette Idee, dem exzentrischen Privatdetektiv eine intellektuell mindestens ebenbürtige Frau zur Seite zu stellen. Die witzigen Dialoge lassen über den nicht allzu originellen Kriminalfall hinwegsehen.

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Elisabeth Elo: Die Frau, die nie fror

Elo_FrauEin netter, klassischer Krimi mit einer sympathischen Hauptfigur (die mich ein wenig an „Fräulein Smilla“ erinnert hat).

Pirio Kasparov hat knapp ein Schiffsunglück überlebt.  Ein Frachter hat das Fischerboot ihres Freundes versenkt, Ned kam dabei ums Leben, sie selbst wurde nach Stunden aus dem eisigen Wasser gezogen.

Der vermeintliche „Unfall“ lässt Pirio nicht los. Sie beginnt, Fragen zu stellen. Warum kann die Küstenwache den Frachter nicht ermitteln? Und woher hatte Ned überhaupt das Geld für ein neues Boot? Pirio merkt bald, dass sie mit ihren Nachforschungen gefährliche Leute nervös macht…

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François Garde: Was mit dem weißen Wilden geschah

Garde_WeissenMitte des 19. Jahrhunderts: Der Matrose Narcisse Pelletier wird bei einem Landgang an der australischen Ostküste von seiner Mannschaft vergessen. Erst nach siebzehn Jahren taucht er wieder auf. Er ist nackt und tätowiert, spricht eine unverständliche Sprache. Was ist geschehen?

Octave de Vallombrun, ein französischer Abenteurer und Forscher, nimmt sich des „weißen Wilden“ an, nachdem er ihn als Landsmann identifiziert hat. Er fährt mit seinem Schützling zurück nach Frankreich und macht dessen Familie ausfindig. Doch Narcisse hat Schwierigkeiten, sich in die Zivilisation wieder einzufügen. Außerdem schweigt er zu Vallombruns Ärger beharrlich über seine Erlebnisse bei den „Eingeborenen“.

François Garde wurde mit dem Prix Goncourt für seinen Debütroman ausgezeichnet. Teils Abenteuerroman, teils Reflektion über Kulturen und Identität, liest sich das Buch für meinen Geschmack manchmal etwas sperrig.

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Amanda Coplin: Im Licht von Apfelbäumen

Coplin_LichtCoplins Debütroman ist spannend und berührend und hat es immerhin auf die Bestenliste der New York Times geschafft. Der Roman erzählt ruhig und angenehm unaufgeregt vom dramatischen Schicksal eines älteren Mannes und zweier junger Frauen.

William Talmadge lebt allein in einem abgeschiedenen Tal auf einer Obstplantage. Seit seine Mutter starb und seine Schwester in jungen Jahren unter rätselhaften Umständen verschwand, bleibt er für sich und hat nur wenige Freunde.

Eines Tages tauchen zwei schwangere Mädchen im Tal auf, die vor einem brutalen Zuhälter geflohen sind. Talmadge kümmert sich fürsorglich um sie, kann jedoch die sich anbahnende Tragödie nicht aufhalten… Traurig und schön!

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Ian McEwan: Honig

McEwan_HonigDie letzten Romane von Ian McEwan fand ich eher enttäuschend – sie kamen alle nicht an „Abbitte“ heran. (Naja, „Saturday“ war noch in Ordnung, aber „Solar“ habe ich nach fünfzig Seiten weggelegt.)

Bei dem neuen Buch habe ich auf das Urteil einer älteren, beleseneren Kollegin gehört, die es uneingeschränkt empfohlen hat. Und es liest sich gut!

Die Geschichte ist in den 1960er Jahren in England angesiedelt. Serena Frome, eine intelligente Frau aus gutem Elternhaus, gerät zufällig an eine Stelle beim britischen Geheimdienst MI5. Als Frau hat sie weder Karriere-Aussichten, noch geht es bei ihrem eher öden Bürojob spannend zu.

Doch dann bekommt sie aufgrund ihrer Literaturkenntnisse einen „Außeneinsatz“: Sie soll zu einem jungen Schriftsteller Kontakt aufnehmen, der für den Geheimdienst von Interesse sein könnte. Doch Serena verhält sich sehr unprofessionell und beginnt eine Beziehung mit dem Literaten…

Launig, spannend, ironisch – aber auch dieses Buch wird nicht „Abbitte“ von seinem Platz als bester McEwan-Roman verdrängen!

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