Laetitia Colombani: Der Palast der Frauen

Nach „Der Zopf“ der zweite Roman der Französin Laetitia Colombani. Zwei Handlungsstränge und zwei Frauenleben verknüpft dieses Buch: Da ist zum einen die historische Figur Blanche Peyron (1867 – 1933), eine Kommissarin der Heilsarmee, die es mit unglaublichem Engagement schafft, ein großes Heim für obdachlose und schutzbedürftige Frauen zu schaffen. Zum anderen die fiktive Anwältin Solène, die nach einem Zusammenbruch eine neue Lebensaufgabe sucht.
Solène möchte sich ehrenamtlich betätigen, so landet sie im „Palast der Frauen“ als Briefeschreiberin. Nach und nach gewinnt sie das Vertrauen einiger Bewohnerinnen und erfährt etwas über deren schwere Schicksale.

Ein relevantes Thema! Und – gar keine Frage – Blanche Peyron ist eine zu Unrecht vergessene Heldin, die berühmt sein müsste für ihr großes soziales Engagement!
(Ich hoffe, dass spätestens 2026, wenn der „Palais de la Femme“ 100 Jahre alt wird, Straßen und Schulen nach dieser Frau benannt werden.)
Dennoch hat mich das Buch seltsam kalt gelassen.
Natürlich stellt Colombani am Beispiel einiger Figuren wie Renee, Cynthia und Binta realistisch die Lebensgeschichten von Frauen dar, die im Palast Schutz suchen.
Aber sie wirken eben auch nur wie Beispiele, nicht wie Menschen. Dieser Roman hat für mich etwas Schablonenhaftes, als ob Colombani wichtige Themen Punkt für Punkt abarbeiten wollte.
Für die „Message“ und die Haltung der Autorin gibt es die volle Punktzahl

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, aber die Ausführung hat mich nicht überzeugt.

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Oyinkan Braithwaite: Meine Schwester, die Serienmörderin

Lagos, Nigeria: Kein guter Tag für die Krankenschwester Korede – ihre Schwester Ayoola ruft sie völlig verstört an und bittet um Hilfe. Ihr Freund sei gewalttätig geworden

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, sie habe sich gewehrt und jetzt sei alles voller Blut..
Schon wieder! Ayoola ist unglaublich schön – die Männer liegen ihr zu Füßen und sie ist der Augenstern der Mutter.
Was niemand außer Korede sieht: Sie ist oberflächlich, egoistisch und gefühlskalt. Und was niemand außer Korede weiß: Sie hat ein großes scharfes Messer und ein unausgeglichenes Temperament. Das mag eine Folge der Gewalt sein, der die Frauen der Familie ausgesetzt waren, solange der Vater lebte. Korede, die verantwortungsvolle große Schwester, hat sich immer bemüht, Ayoola zu beschützen. Natürlich hilft sie, die Leiche zu beseitigen, auch wenn ihr klar ist, dass ihre Schwester sich zu einer Serienmörderin entwickelt hat.
Koredes Loyalität gerät erst ins Wanken, als Ayoola eines Tages an ihrem Arbeitsplatz auftaucht. Ihr Kollege Tade, in den Korede heimlich verliebt ist, ist natürlich hingerissen von der schönen Schwester und beginnt, sich mit ihr zu treffen…
Ein großes Lesevergnügen für alle, die schwarzen Humor mögen.
Bei allem Tempo und Witz beschreibt das Buch aber auch eine Gesellschaft, in der Frauen Gewalt und Unterdrückung ausgesetzt sind. Die Autorin lebt selbst in Lagos und weiß also nur zu gut, wie der Alltag in einer patriarchalischen Gesellschaft aussieht.

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Sebastian Stuertz: Das eiserne Herz des Charlie Berg

Ich nehme mal an, ich gehöre so gar nicht in die Zielgruppe dieses Buches.
Ja, ich habe in jüngeren Jahren gern John Irving gelesen, auch wenn mir damals schon manches zu derb und zu abgedreht war.
Aber immerhin hatte Irving die Gabe, auch richtig schöne, warmherzige Szenen zu schreiben.
Im Gegensatz zu Sebastian Stuertz. Ich finde es sehr tapfer von mir

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, dass ich nahezu sämtliche 720 Seiten des Romans durchgehalten habe, obwohl ich die Figuren nervig fand (Dave Killer!) und die Handlung komplett überdreht. Selbst die Namen der Charaktere fand ich zu gewollt. Aber, naja, in Zeiten der Kontakteinschränkung hält man sich halt mit den Leseexemplaren über Wasser, die gerade im Haus sind.
Den Inhalt hier wiederzugeben würde mir nur wieder schlechte Laune machen.
Ich formuliere es mal so: Wenn Sie über fünfundzwanzig sind und nicht auf derbe Sprache stehen, lesen Sie was anderes.

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Thomas Christos: 1965 – Der erste Fall für Thomas Engel

Thomas Engel ist ein sehr junger, idealistischer Polizist, der aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammt. Durch gute Beziehungen zu einem Freund seines Vaters, „Onkel“ Strobel, bekommt er die Chance, bei der Kriminalpolizei in Düsseldorf anzufangen.
Und schon steckt er in seinem ersten Fall: Ein Mädchen wird ermordet aufgefunden. Thomas entdeckt Parallelen zu einigen Fällen aus den 1930er Jahren. Seine Kollegen wollen diese Spur aber nicht verfolgen und halten sich generell sehr bedeckt, was die Zeit des Nationalsozialismus angeht.
Thomas´Ermittlungen bringen Unruhe in das Team. Aus dem naiven und korrekten jungen Mann wird nach und nach ein unbestechlicher Polizist, der auch vor den dunklen Geheimnissen in der eigenen Familie nicht halt macht.
Während er sich in ein rebellisches Mädchen verliebt und zum ersten Mal die Musik der Rolling Stones hört, versuchen Vater und „Onkel“ alles, um ihn wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Insgesamt ein flüssig, aber nicht immer stilsicher geschriebenes Buch, das die Sechziger Jahre lebendig macht.
Mit Thomas Engel hat der Autor Thomas Christos eine Hauptfigur geschaffen

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, die sicherlich interessante Möglichkeiten bietet, auch wenn sie in diesem Buch noch etwas blass bleibt. Gute Krimi-Kost!

 

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Michael Connelly: Late Show

Michael Connelly ist in den USA ein Bestseller-Autor und auch hierzulande haben sich seine „Harry-Bosch“-Romane gut verkauft.

Mit „Late Show“ beginnt er nun eine neue Reihe, in der die Polizistin Renee Ballard im Mittelpunkt steht.
Sie arbeitet in der unbeliebten Nachtschicht im Los Angeles Police Department, seitdem sie es gewagt hat, einen Vorgesetzten wegen sexueller Belästigung anzuzeigen.
Das bedeutet auch, dass sie zwar zu Einsätzen gerufen wird, die eigentliche Ermittlungsarbeit aber den Kollegen der Tagesschicht überlassen muss. Für die ehrgeizige Kommissarin eine untragbare Situation.
Als eine schwer verletzte Prostituierte auf einem Parkplatz gefunden wird und es kurze Zeit später eine Schießerei in einem Club gibt, bei der fünf Menschen sterben, denkt Ballard nicht mehr daran, die Fälle den Kollegen zu überlassen. Nach ihren Nachtschichten beginnt sie zu ermitteln, im Geheimen und ohne Rückendeckung…

Das Buch beginnt etwas behäbig, nimmt dann aber doch Fahrt auf. Der Stil ist nicht immer ansprechend – das mag aber auch an der Übersetzung liegen.
Insgesamt okay

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, aber ich werde die Reihe wohl nicht weiterlesen.

PS: Kleine Albernheit am Rande: Als ich auf dem Cover las „RENEE BALLARD
IHR ERSTER FALL“
habe ich für einen Moment gedacht, ein Ruhrgebietler habe das entworfen. Klingt halt so ein bisschen nach „Dem Ernst Kuzorra seine Frau ihr Stadion“…

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Dirk Kurbjuweit: Haarmann

In seinem neuen Roman begibt sich der „Spiegel“- Journalist Dirk Kurbjuweit auf die Spurensuche nach Fritz Haarmann.
Der Fall um den Serienmörder in den 1920er Jahren ist nie in Vergessenheit geraten und wurde immer wieder aufgegriffen, zum Beispiel im Film „Der Totmacher“ mit Götz George.
Wie spannend kann also ein Buch über einen historischen Kriminalfall sein, dessen Ausgang ja hinlänglich bekannt ist?
Kurbjuweit bietet einen tiefen Enblick in das Geschehen der Weimarer Republik. Für seinen fiktiven Ermittler, den Polizisten Robert Lahnstein, hat der Fall vor allem eine politische Dimension: er wird zur Bewährungsprobe der Weimarer Republik. Lahnstein ist überzeugt davon, dass sein Scheitern der jungen Demokratie schaden könnte.
Darüber hinaus ist er persönlich betroffen. Er hat mit verzweifelten Eltern zu tun, deren Söhne verschwunden sind, was ihn zunehmend belastet.
Diese geschichtliche Dimension macht das Buch spannend und interessant. Die blutigen Details der furchtbaren Taten erfordern beim Lesen zuweilen einen belastbaren Magen – dennoch kann ich das Buch anspruchsvolleren Krimilesern nur empfehlen.

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Anna Hope: Was wir sind

Hannah, Cate und Lissa haben eine jahrelange gemeinsame Geschichte. In ihren Zwanzigern waren sie beste Freundinnen, lebten zusammen in einem Haus und hatten große Pläne.

Mit Mitte dreißig sieht ihr Leben jedoch ganz anders aus:
Die schöne Lissa hat es mit ihrer Schauspielerei nie weit gebracht und hält sich mit Werbeclips über Wasser.
Hannah hat Karriere gemacht, ist aber nach einer Fehlgeburt völlig aus der Bahn geworfen und setzt mit ihrem unbedingten Kinderwunsch ihre Ehe aufs Spiel.
Cate hingegen lebt auf dem Land und hat ein Baby

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, fühlt sich aber völlig überfordert und von der Welt abgeschnitten.
Ein wenig stören die Zeitsprünge den Lesefluss, finde ich. Doch insgesamt fesselt die Autorin mit der einfühlsamen Beschreibung moderner Frauenleben. Die Figuren sind weitestgehend klischeefrei und glaubwürdig gestaltet. Anna Hopes Stil ist angenehm klar und ohne Schnörkel.

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Sofia Lundberg: Ein halbes Herz

Vor zwei Jahren habe ich „Das rote Adressbuch“ von Sofia Lundberg gelesen. Ein wirklich nett zu lesender Schmöker über ein Frauenleben im 20. Jahrhundert.
Daher freute ich mich über ein Leseexemplar des neuen Titels – ich hatte gerade Lust auf flotte

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, unkomplizierte Lektüre.
Allerdings habe ich nach fast der Hälfte der gut 400 Seiten das Buch endgültig weggelegt. Ich konnte der Geschichte der unsympathischen Hauptfigur Elin einfach nichts abgewinnen.
(Dabei gibt es durchaus Romane mit unsympathischen Hauptfiguren, die man einfach nicht aus der Hand legen kann – siehe Juli Zeh: „Unterleuten“!)

 

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Anne Tyler: Der Sinn des Ganzen

Ann Tyler ist die Meisterin der unaufgeregten Alltagserzählung. Ihre Figuren sind meist ein wenig schrullig, aber nicht zu schräg – wie auch Micah Mortimer, der „Held“ ihres neuen Romans.
Micah lebt ein sehr ruhiges, komplett durchorganisiertes Leben.
Er arbeitet als Hausmeister in dem Wohnblock, in dem er lebt, und berät als Selbständiger Leute mit Computer-Problemen.
Jeden Tag beginnt er mit einem Dauerlauf und je nach Wochentag folgen dann bestimmte Hausarbeiten. Manchmal kommentiert er in Selbstgesprächen

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, was er kocht – und zwar mit französischem Akzent.
Seine Freundin ist eine nette, etwas unscheinbare Lehrerin, mit der er aber nicht zusammenziehen möchte. Das führt zum Bruch der Beziehung.
Und dann taucht auch noch der Sohn einer Jugendfreundin auf, der vermutet, dass Micah sein Vater ist, und quartiert sich bei ihm ein.
Mit feinem Humor erzählt Anne Tyler vom Durcheinander im Leben eines netten Typs, der nichts so sehr schätzt wie Routine. Micah Mortimer ist eine grundsympathische Figur, die manchmal etwas stoffelig erscheint, es aber immer gut meint. Jemand, der sich zwar Gedanken macht, sie aber nicht immer mitteilen muss und sich lieber im Hintergrund hält. (Vielleicht ist diese Figur ein Gegenentwurf zu den Alphamännchen, die einem sowohl in der Literatur wie auch im wahren Leben oft genug auf die Nerven gehen…)
So ist ein geradezu liebenswürdiges Buch entstanden, das nette Unterhaltung bietet, ohne belanglos zu sein.

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Elizabeth Strout: Die langen Abende

Ein Wiedersehen mit Olive Kitteridge, der Heldin aus „Mit Blick aufs Meer“! Zwar habe ich dieses Pulitzerpreis-gekrönte Buch nicht gelesen

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, aber das ist auch nicht nötig, um in den neuen Roman einzusteigen.
Olive Kitteridge, mittlerweile pensionierte und verwitwete Lehrerin, wird von Jack Kennison, einem ehemaligen Harvardprofessor, umworben.
Ihr Sohn lebt mit seiner Familie in New York, sie ist in Crosby an der Küste Maines geblieben. Ihre Enkel hat sie kaum je zu Gesicht bekommen. Olive ist, auch wenn sie es nie zugeben würde, einsam.
So kommt es zu einer überraschenden Ehe…
Das Buch lebt ganz von dieser sturen, grantigen, spöttischen Hauptfigur, die hin und wieder doch ganz unerwartet Empathie beweist und lebenskluge Dinge sagt.
Wie immer bei Elizabeth Strout erfährt man in Nebenhandlungen etwas über die Einwohner Crosbys, vor allem Olives ehemalige Schülerinnen und Schüler.
Insgesamt ein sehr unterhaltsames, aber auch bewegendes und nachdenklich stimmendes Buch!

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