Jason Starr: Phantasien

Starr_PhantasienVor einigen Jahren habe ich „Stalking“ gelesen und war begeistert. Jetzt hat Diogenes einen neuen Roman von Jason Starr im Herbstprogramm.

Das Buch spielt in einem reichen Vorort von New York. Wohlhabende Menschen spielen ihre perfekten Rollen, haben aber dunkle Geheimnisse. Rick Berman zum Beispiel ist scharf auf seine geschiedene Nachbarin – die ihn allerdings nur als Freund betrachtet.

Seine Frau unterstellt ihm eine Affäre, hat aber selbst einen minderjährigen Liebhaber. Alle Figuren des Romans unterliegen Selbsttäuschungen und legen sich ihre Wirklichkeiten zurecht, wie es ihnen passt. Und dann ist da noch eine Person, die vor Mord nicht zurückschreckt…

Nicht unbedingt ein Krimi, aber sehr, sehr spannend. Allerdings sollte man eine Geschichte (fast) ohne echte Sympathieträger aushalten können.

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Stephen King: Mr. Mercedes

King_mercedesWenn mir jemand an Neujahr prophezeit hätte, dass ich in diesem Jahr ein Buch von Stephen King läse, hätte ich demjenigen womöglich einen Vogel gezeigt. Aber dann bin ich im Februar mit einer hoch geschätzten Kollegin zusammengetroffen, die „Mr. Mercedes“ ausdrücklich empfohlen hat.

Um es kurz zu machen: Es war eine sehr spannende Wochenend-Lektüre! Der Roman ist kein „typischer King“, also keine Horror-oder Fantasy-Geschichte, sondern ein durchweg solider Krimi.

Im Mittelpunkt steht der pensionierte Detektiv K. William Hodges, dem ein nicht gelöster Fall zu schaffen macht. Ein grauer Mercedes hatte sich damals in eine Menschenmenge gepflügt, es gab mehrere Todesopfer – darunter eine Frau mit Baby – und der Täter hinterließ eine Clownsmaske und einen Smiley-Aufkleber auf dem Lenkrad. Es gab keine Zeugen und keine verwertbaren Spuren.
Hodges verbringt seine Tage mittlerweile trinkend vor dem Fernseher, eine geladene Pistole immer in Reichweite. Von Frau und Tochter längst verlassen, ist er deprimiert und antriebslos.

Doch dann erreicht ihn ein Brief des „Mercedes-Killers“, in dem der offensichtliche Psychopath ihn verhöhnt. In Hodges erwacht wieder Kampfgeist und er schwört sich, den Mörder doch noch zur Strecke zu bringen, bevor dieser wieder zuschlägt.

Natürlich erfindet King das Krimi-Genre nicht neu. Natürlich hat man schon Ähnliches gelesen. Aber Stephen King beherrscht sein Handwerk: Man muss das Buch nicht lesen, aber wenn man damit angefangen hat, kann man es kaum aus der Hand legen.

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Alina Bronsky: Baba Dunjas letzte Liebe

Bronsky_DunjaHinreißend!! Eines meiner Lieblingsbücher in diesem Herbst!

Seit „Die schärfsten Gerichte der tartarischen Küche“ bin ich ein Fan von Alina Bronsky. Die junge Autorin (geboren 1978 in Russland) schreibt sehr unterschiedliche Bücher. Mal düster, mal mit boshaftem schwarzen Humor oder – wie in diesem Fall – nüchtern und doch unerwartet zärtlich.

Zum Inhalt: Baba Dunja lebt mit einer Handvoll Nachbarn in einem verlassenen Dorf in der Strahlungszone von Tschernobyl. Abgeschnitten von der Zivilisation lebt man dort ein ruhiges Leben – bis eines Tages ein Vater mit seiner kleinen Tochter auftaucht und es zu einem folgenschweren Streit kommt…

Unglaublich, wie viele wunderbare Szenen auf gerade einmal 160 Seiten Platz finden! Alina Bronsky hat mit Baba Dunja eine unvergessliche literarische Figur geschaffen.

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Lily King: Euphoria

King_EuphoriaInspiriert durch die Lebensgeschichte der Ethnologin Margaret Mead erzählt Lily King in ihrem Buch von drei Menschen, die in den 1930er Jahren in Neuguinea Feldforschung betreiben.

Die junge Amerikanerin Nell Stone hat sich schon einen Namen gemacht, womit ihr Ehemann Fenwick nur schwer klar kommt. Auch wenn beide zusammen forschen, haben sie sehr unterschiedliche Herangehensweisen. Nell versucht, den Alltag der Menschen am Sepikfluss kennenzulernen und daran teilzunehmen, sie ist viel mit Frauen und Kindern zusammen, während Fen versucht, spektakulären geheimen Riten auf die Spur zu kommen und dabei Tabus bricht.

Als sie dem ebenfalls in der Nähe forschenden Briten Andrew Bankson begegnen, wird die Situation durch die erotische Anziehung zwischen Nell und Andrew noch aufgeheizter…

Tolle Geschichte! Ich habe das Buch verschlungen! Es ist ohne Effekthascherei erzählt, psychologisch höchst interessant und entführt in eine exotische Welt. Viel mehr kann man von einem Roman wohl nicht verlangen…

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Nina Blazon: Liebten wir

Blazon_LiebtenMoira (Mo) ist eine Fotografin, die auf ihren Bildern Dinge festhält, die sonst kaum jemand wahrnimmt. Mit ihrer Kamera dringt sie in die Geheimnisse ihrer Kunden ein. Sie findet stets die feinen Risse in der Fassade „glücklicher“ Familien.

Nach dem Tod ihrer Mutter zerfiel ihre eigene Familie. Der Vater ist längst wieder verheiratet und hat seine Töchter abgeschrieben. Das Verhältnis zur älteren Schwester ist mehr als angespannt.

Als sie die Familie ihres neuen Freundes kennenlernen soll, läuft alles schief: Leos finnischstämmige Großmutter kanzelt sie ab, seine Schwester ist gehässig. Doch das ist noch nicht alles: Nach einem spektakulär aus dem Ruder gelaufenen Familienfest wird sie von Großmutter Aino erpresst, sie nach Finnland zu bringen. Die alte Dame hat dort seit dem Zweiten Weltkrieg noch eine Rechnung offen…

Der Plot wirkt manchmal ziemlich konstruiert und Romane um dunkle Familiengeheimnisse aus der Vergangenheit sind wahrhaftig keine Mangelware.
Dennoch schafft es Nina Blazon, die Leser durch ihre lässige und ungewöhnliche Schreibweise bei der Stange zu halten. Eine nette Lektüre für alle, die es spannend mögen, aber nicht unbedingt Krimis lesen.

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Ruth Cerha: Bora – eine Geschichte vom Wind

Cerha_BoraVor einigen Jahren habe ich Cerhas Roman „Zehntelbrüder“ gelesen, der mit gut gefallen hat. Das neue Buch wurde vom Verlag als „federleichte Sommerlektüre“ angepriesen – also her damit!

Zum Inhalt: Die Schriftstellerin Mara flüchtet sich auf eine kroatische Insel, sie leidet unter einer Schreibblockade. Dort begegnet sie dem Fotografen Andrej, dessen Elten unter Tito aus ihrer Heimat geflohen sind. Wie in jedem Sommer besuchen Andrej und seine Familie den Heimatort zum „Emigrant’s Day“.

Wie vom Wind getrieben steuern Mara und Andrej beiden aufeinander zu. Doch sie werden durch ihre Lebensgeschichten auch wieder auseinander gewirbelt…

Eine angenehm erwachsene Liebesgeschichte mit zwei sehr reflektierten Protagonisten. Unaufgeregt, aber nie langweilig.

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Thomas Hardy: Am grünen Rand der Welt

BalkonDa ich sämtliche Jane-Austen-Romane mindestens einmal gelesen habe, lag es nahe, sich einmal Thomas Hardy zuzuwenden. Ich erinnere mich dunkel, in jungen Jahren „Tess von den d’Urbervilles“ gelesen zu haben. Aber von „Am grünen Rand der Welt“ („Far from the Madding Crowd“) hatte ich bis zur aktuellen Verfilmung nichts gehört. Dabei soll es sein bekanntester Roman sein!

Um es kurz zu machen: Das Buch ist eine wunderbare Lektüre für schöne Sommerabende. Die Geschichte der jungen Bathsheba Everdene, die gleich drei Verehrer hat und sich eigentlich gar nicht binden möchte, hat Witz und ein wenig Dramatik. Und ein angemessenes Happy End – genau das Richtige für Austen-Fans…

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Rainbow Rowell: Eleanor und Park

Rowell_EleanorEine wirklich schöne  Geschichte über zwei Außenseiter, die zaghaft zueinander finden – abwechselnd aus der Sicht des Mädchens und des Jungen erzählt.

Eleanor lebt mit ihrer Mutter und ihren jüngeren Geschwistern beim Freund der Mutter, einem aggressiven und gewalttätigen Mann. Sie hat vorher ein Jahr lang bei Verwandten gewohnt und muss sich nun in eine neue Klasse eingewöhnen. Schon im Schulbus fängt für sie, die Neue mit dem auffällig roten Haar, ein Spießrutenlauf an…

Park ist ein einigermaßen beliebter, aber sehr zurückhaltender Junge aus einem liebevollen Elternhaus. Das neue Mädchen in seiner Klasse findet er zunächst seltsam und möchte nichts mit ihr zu tun haben – aber auf den gemeinsamen Fahrten im Schulbus kommen die beiden nach und nach ins Gespräch…

Mit viel Einfühlungsvermögen schildert Rainbow Rowell die Annäherung zweier Jugendlicher. Eine zarte, überhaupt nicht kitschige Liebesgeschichte.

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Bernard Cornwell: Der leere Thron

Cornwell_ThronWie schon erwähnt, bin ich nicht unbedingt ein Fan historischer Romane, mache aber für diese Reihe von Bernard Cornwell eine Ausnahme. Die Geschichte des jungen Uthred, der von Dänen großgezogen wird und sich dennoch auf die Seite des (christlichen) Königreichs Wessex stellt, ist einfach klasse erzählt.

Obwohl dies schon der achte Band ist, fasziniert die Handlung noch immer. Mittlerweile ist der Erzähler Uthred von Bebbanburg Vater erwachsener Kinder, die zunehmend Platz im Geschehen finden. Ansonsten begegnen uns in diesem Roman jede Menge bekannter Figuren wieder.

Nach einem Zweikampf, bei dem er schwer verwundet wurde, plagen den Krieger heftige Schmerzen durch eine Wunde, die nicht heilt. Allerdings bleibt ihm keine Zeit, sich auszukurieren, denn seine Geliebte, die Schwester des Königs vom Wessex, ist in höchster Gefahr, ebenso sein Mündel Aethelstan, der Erstgeborene König Edwards. Uthred muss mit List und Schwertkunst für diejenigen kämpfen, die ihm anvertraut sind.

Ich habe den Roman in anderthalb Tagen verschlungen und das Buch nur widerwillig beiseite gelegt. Spannung, historische Fakten und eine Prise Humor machen die Bücher von Bernard Cornwell zu echten „Pageturnern“. Ich freue mich schon jetzt auf Band Nummer 9!

 

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Holger Wohlandt: Selma Lagerlöf

wolandt_SelmaVor 75 Jahren starb Selma Lagerlöf, die als erste Frau einen Literatur-Nobelpreis bekam (1909). In Deutschland kennt man sie vor allem als Autorin des Kinderbuch-Klassikers „Nils Holgerssons wunderbare Reise“, doch ihr Werk umfasst natürlich unendlich viel mehr.

Holger Wolandts angenehm zu lesende Biografie lässt die große Schriftstellerin selbst zu Wort kommen. Vor allem ihre Briefe an Freunde und Verwandte erzählen aus dem Alltag dieser ungewöhnlichen Frau. Wir lernen eine bodenständige, aber auch sehr selbstbewusste Person kennen, als Lehrerin, Reisende, Gutsherrin. Eine kurzweilige und interessante Lektüre, die ich übrigens in Vorbereitung für eine Veranstaltung in der Stadtbibliothek gelesen habe. („Zeitlos und unvergessen – Bedeutende literarische Jubilare“ am 28.08.2015)

Schweden2015Ach ja, für die passende Kulisse beim Lesen war auch gesorgt:
(Dies ist allerdings nicht Värmland, sondern Bohuslän.)

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