Julie Zeh: Unterleuten

Zeh_UnterleutenAlle Bücher von Julie Zeh sind lesenswert – auch dieser Roman, der auf 640 Seiten nicht eine sympathische Figur aufweist!

Unterleuten, irgendwo in Brandenburg: Hier prallen Welten aufeinander! Viele von denen, die in dem vermeintlich idyllischen Dorf aufgewachsen sind, wollen nur weg. Stadtflüchtlinge aus Berlin wiederum ziehen hinaus aufs Land und erwarten ein unverdorbenes Paradies. Da stören die Alteingesessenen zuweilen.

Noch mehr Konflikte entstehen, als ein Investmentunternehmen einen Windpark in Unterleuten errichten will. Naturschutz trifft auf finanzielle Interessen. Zwischen Wendeverlierern und -gewinnern bricht erneut Streit aus.

Julie Zeh erzählt spannend von Intrigen, Zerwürfnissen, Gewaltausbrüchen. Das Buch wurde als „kulturkritischer Gegenwartsroman“ (Ursula März,  Die Zeit) gehandelt, liest sich aber streckenweise beinahe wie ein Krimi. Empfehlenswert auch die Internetseite zum Buch: www.unterleuten.de

 

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Off Topic: Geschichten aus dem Buchhandel

Wenn Kunden in unserem Online-Shop etwas bestellen, bekommen wir eine automatische E-mail mit allen möglichen Angaben: Natürlich die Titel und ISBN der Bücher, Preise usw. Es stehen aber auch Bestelldatum und Uhrzeit dabei.

Die neugierige Buchhändlerin nimmt das zur Kenntnis und denkt sich: „Donnerwetter, die muss aber früh aufstehen!“ oder „Meine Güte, so ein Rentner* sitzt aber noch spät am Rechner…“

Heute musste ich bei der Betrachtung von Uhrzeit und bestelltem Buch breit grinsen.
Was bestellt ein frischgebackener Vater am sehr späten Abend?
Annette Kast-Zahn: Jedes Kind kann schlafen lernen…

* Hallo, OL! Ja, Du bist gemeint!  😉

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Louise Welsh: V5N6 – Tödliches Fieber

Welsh_FieberDie ehemalige Journalistin Stevie arbeitet bei einem Teleshopping-Kanal und führt ein eher ereignisloses Leben. Doch unversehens findet sie sich in einem Strudel dramatischer Ereignisse wieder: Ein tödliches Grippevirus verbreitet sich rasend schnell in London. Auch ihren neuen Freund, den Arzt Simon Sharkey, erwischt es scheinbar – nachdem er sich tagelang nicht bei ihr gemeldet hat, findet Stevie ihn tot in seiner Wohnung.

Stevie erkrankt ebenfalls, gehört aber zu den wenigen Menschen, die das „Schwitzfieber“, wie es genannt wird, überleben. Sie ist überzeugt davon, dass Simon umgebracht wurde, denn er hat ihr seinen Laptop mit wichtigen Daten hinterlassen. In einer immer chaotischer werdenden Stadt macht sich Stevie auf die Suche nach dem Mörder.

Dystopie trifft Krimi – kein überragender Thriller, liest sich aber flott.

 

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James Runcie: Der Schatten des Todes

Runcie_SchattenDies ist der erste Band der in Großbritannien populären „Sidney-Chambers“-Reihe, bestehend aus netten, extrem harmlosen Kriminalgeschichten.

Im Mittelpunkt steht ein junger Geistlicher, der in der kleinen Stadt Granchester immer wieder in Kriminalfälle verwickelt wird. Angesiedelt ist das Ganze in den frühen 1950er Jahren – beim Lesen hatte ich unwillkürlich ein schwarzweißes Miss-Marple-Setting vor Augen.

Wer die ländliche, englische Atmosphäre mag und von einem Krimi nicht unbedingt Spannung erwartet, ist hier richtig.

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Irmgard Keun: Kind aller Länder

Keun_Kind1938, also vor fast achtzig Jahren, erschien dieser Roman der damals sehr populären Schriftstellerin Irmgard Keun zum ersten Mal.

Aus der Sicht der zehnjährigen Kully schildert Keun das Leben deutscher Intellektueller im Exil. Kullys Eltern sind ständig in finanziellen Schwierigkeiten, reisen durch halb Europa auf der Suche nach Einnahmequellen. Der Vater, ein Schriftsteller, verkauft hin und wieder an Zeitungen oder Verlage. Oft muss er sich Geld leihen, um seine Frau und seine Tochter aus Hotels „auszulösen“.

Auch wenn die kindliche Erzählerin selbst ihr Leben als Abenteuer begreift, die Flucht der Eltern als Reise ansieht und voller Bewunderung für den Vater ist, so wird dem Leser doch recht schnell die prekäre Situation bewusst, in der sich die Eltern befinden. Eine Rückkehr ins Hitler-Deutschland ist für sie ausgeschlossen. Mit diesem Ehepaar porträtiert Irmgard Keun sich selbst und ihren damaligen geliebten Joseph Roth, so die Lesart der meisten Rezensenten. (Sie lernten sich 1936 kennen.)

Man kann das Buch also gut als Ergänzung zu Volker Weidermanns „Ostende“ lesen.

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Eli Gottlieb: Best Boy

Gottlieb_BestDer Ich-Erzähler des Romans ist ein vierzigjähriger Autist, der in einem Heim lebt. Sein innigster Wunsch ist es, mehr Zeit mit seinem Bruder und dessen Familie zu verbringen.

In den USA wurde der Roman sehr gelobt. „A raw and beautiful novel“, schreibt die Washington Post. Auch der deutsche Verlag C.H. Beck preist das Buch an als „ein warmherziges, authentisches und in seiner sprachlichen Klarheit brillantes Porträt und eine ergreifende Erzählung darüber, was es bedeutet, eine Familie zu sein.“

Tja, ich muss gestehen, ich bin beim Lesen andauernd eingeschlafen. Vielleicht war das ja die Frühjahrsmüdigkeit und das Buch kann gar nichts dafür. Aber ich war weder sonderlich ergriffen von der Geschichte, noch habe ich die klare Sprache bemerkt.

(Symptomatisch dafür: Ich habe das Buch schon etlichen Wochen gelesen und musste vor dem Verfassen dieses Beitrags erst noch einmal nachlesen, worum es überhaupt ging…)

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Peter Nichols: Die Sommer mit Lulu

Nichols_LuluDie Engländerin Lulu ist auf Mallorca eine umschwärmte Frau.
Seit den 1960er Jahren leitet sie ein kleines Hotel, das gern Jahr für Jahr von denselben Gästen bewohnt wird. Lulu ist witzig und großzügig, ausgesprochen charmant. Nur ihren Kurzzeit-Ehemann scheint sie abgrundtief zu hassen. Obwohl Gerald ebenfalls auf der Insel wohnt, geht sie ihm aus dem Weg – bis sie sich, inzwischen über achtzig, eines Tages zufällig treffen und in heftigem Streit von den Klippen stürzen. Wie kam es zu diesem Unfall?

Luc und Aegina, Lulus Sohn und Gerald Tochter, fragten sich seit jeher, was in der kurzen Ehe der beiden im Jahr 1948 passiert ist…

Der Roman erzählt die traurige Geschichte Lulus und Geralds rückwärts, beginnend im Jahr 2005. Dann folgen 1995, 1983, 1970 usw., bis zum „Schicksalsjahr“ 1948, dem Jahr ihrer sehr kurzen Ehe.
Das ist nicht unspannend erzählt, richtig gefesselt hat mich das Buch aber auch nicht.
Die Hauptfiguren haben sich mir kein bisschen erschlossen. Und die sich rückwärts windenden Erzählstränge fand ich anfangs verwirrend.

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Susanne Kippenberger: Das rote Schaf der Familie

Kippenberger_SchafDa Jessica Mitford in ihrer Autobiographie „Hunnen und Rebellen“ leider nur ihre Jugendjahre (bis zum frühen Tod ihres Ehemannes) schildert, muss man zu diesem außerordentlich interessanten Buch greifen, wenn man mehr über die berüchtigte Mitford-Schwester wissen will.

Ihr turbulentes Leben – als Tochter aus der englischen Oberschicht, Schwägerin des britischen „Ober-Nazis“ Oswald Mosley,  Mitglied der Kommunistischen Partei Amerikas usw – würde für ein Dutzend Romane taugen.

Als resolute Kämpferin für Bürgerrechte und gegen Rassismus hat sie ihr Leben lang auf der Seite der Benachteiligten gestanden. Susanne Kippenberger stellt uns eine außergewöhnliche Frau vor und gibt einen hochinteressanten Einblick in die Geschichte der amerikanischen Zivilgesellschaft der 1950er bis 1980er Jahre.

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Anne Freytag: Mein bester letzter Sommer

Freytag_SommerEin Tränenschocker für alle, die auch „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ gern gelesen haben!

Tessa ist siebzehn, als sie erfährt, dass ihr aufgrund ihrer schweren Herzerkrankung nicht mehr viel Zeit bleibt. Sie ist wütend und  verzweifelt, zieht sich von allem zurück – sie will kein Mitleid.

Als sie Oskar kennenlernt, den Sohn eines Freundes ihrer Eltern, ist sie zunächst abweisend. Für einen Jungen ist in ihrem kurzen Leben kein Platz. Doch auch als sie Oskar ihr furchtbares Geheimnis erzählt, sucht er nicht das Weite, sondern möchte mit Tessa den besten – und letzten – Sommer ihres Lebens verbringen…

Vermutlicher Taschentuchverbrauch empfindsamer junger Frauen beim Lesen: mindestens eine Packung!

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Catalin Dorian Florescu: Der Mann, der das Glück bringt

Florescu_mannRay erzählt die Geschichte seines Großvaters, Elena die ihrer Mutter: Der Großvater wächst unter grausamen Bedingungen als Straßenkind in New York auf, die Mutter im Donaudelta.

Eine drei Generationen umfassende Geschichte, die vom Leben der „kleinen Leute“ erzählt, eine Geschichte des 20. Jahrhunderts, in der die großen Weltereignisse kaum etwas bedeuten – jedenfalls nicht für den Straßenjungen in New York und die junge Frau, die von Amerika träumt und in einer Lepra-Kolonie landet.

Ein ungemein lebenspraller, atmosphärischer Roman. Einmal mehr beweist Catalin Dorian Florescu, dass er ein richtig guter Erzähler ist!

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